Die Erzählung der Begegnung Jesu mit Nikodemus beginnt im Grunde genommen schon bei Joh 2,23, mit der Information, „viele kommen zum Glauben“. Dies nachdem sie ein Zeichen gesehen haben.
Die Eigennamen von biblischen Figuren haben in allen Evangelien normalerweise eine tiefere Bedeutung: Nikodemus bedeutet jener der im Volk siegt.
Was wissen wir über Nikodemus?
Er gehört zur religiösen Elite, zu jenen die „wissen“, ein Führender Mann unter den Juden und damit Experte des Gesetzes. Er ist Mitglied des Hohen Rates, in dem die Mehrheit Saduzzäer sind, gehört dort also einer Minderheit an. Die Pharisäer glauben im Gegegnsatz zu den Sadduzäern an die Auferstehung. Der Vers 10 weist ihn als Schriftgelehrten aus.
Die große Menge an Duftölen, die er zum Begräbnis Jesu bringt deutet, auch wenn es sich um eine symbolische Zahl handelt auf einen reichen Mann hin.
Der Hinweis auf das Alter in Joh 3,4 kann sowohl ein Ehrentitel als auch ein Hinweis auf die Geschlossenheit der Denksysteme sein.
Nikodemus kommt bei Nacht, im Geheimen, ist verwundert über den Zulauf den Jesus hat, will genauer wissen, was es damit auf sich hat, will erfassen. Das Verb das hier gebraucht wird, wird in Johannes normalerweise für eine Anziehungskraft gebraucht, die durch Glauben verursacht wird. Er ist also irgendwie fasziniert, trotzdem bringt er die Fakten nicht zusammen. Er will es genauer wissen, frag nach, versucht aber gleichzeitig das was Jesus sagt rein rational auf der menschlichen Ebene anzugehen: wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er erwachsen ist?
Nikodemus kommt nachts im Schutz der Dunkelheit zu Jesus, weil er sich nicht outen will, er muss sich zuerst selber Klarheit verschaffen. Er ist bereit über eine Grenze zu gehen, aber nicht öffentlich. Johannes vermerkt es auch im Kapitel 12 in einem Seitenhieb. : Viele kamen zum Glauben aber heimlich, denn Sie liebten die Ehre der Menschen mehr als die Ehre Gottes. (Joh 12,42-43) Die Nacht ist aber auch die Zeit in der man in aller Ruhe das Gesetz studieren kann ohne gestört zu werden.
Für den Evangelisten Johannes ist die Nacht auch ein Bild für Diffusität, für die (noch) Ferne vom Christusglauben. Nikodemus ist im Spannungsfeld von kommen und Nacht. Von Anziehung und nicht verstehen. Er fügt sich damit in die Gruppe jener ein, denen Jesus misstraut, da ihr Glaube oberflächlich ist. (Joh 2,24). Nikodemus hebt sich gleichzeitig von dieser Gruppe ab, denn er fragt nach. Er ist fasziniert und will mehr wissen. Staunen schließt den Menschen für das Transzendente auf.